Die Mittagssonne scheint durch die Dachgeschossfenster im Kopenhagener Stadtteil Amagerbrogade. Das in weiß gehaltene riecht es nach frischlackierten Holzmöbeln. Während an diesem Sonntag Spiegeleier in der Pfanne brutzeln und der Kaffee trinkwarm herunterkühlt, sprechen wir mit unserem Gastgeber Tugay über ein Leben im Ausland und unsere Zukunftspläne.
Abseits der Touri-Blase
Lisa und ich haben uns bewusst für Couchsurfing entschieden. Als Alternative zu Hostel und Hotel wollen wir bei Einheimischen wohnen. Nicht nur, weil es eine Menge Geld spart und komfortabler als ein 12-Bett-Zimmer im Backpacker*innen-Hostel ist. Es erlaubt uns einen ungefilterten Blick in Kultur und Lebensweisen, in Kühlschränke und Wohnzimmer eines Landes, das wir als Tourist*innen betreten und wieder verlassen. Außerdem möchte ich mehr aus Kopenhagen mitnehmen als ein Foto vor den bunt bemalten Fassaden der rustikalen Fachwerkhäuser, dem Tourist*innenmagnet Nyhavn. Mehr aus dem schwedischen Malmö als einen flüchtigen Blick über die Speisekarte eines landesüblichen, aber viel zu teuren Restaurants. Mehr aus Stockholm als "mal in der Hauptstadt gewesen zu sein".
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Über die Onlineplattform Couchsurfing finden Einheimische und Reisende seit über zehn Jahren zusammen. Der Service ist für alle Nutzer*innen kostenlos, das Prinzip dahinter simpel: Jeder kann seine Haustür öffnen, jeder nach einem Schlafplatz in der Ferne suchen. Über ein breit ausgefülltes Nutzer*innenprofil finden Reisende und Gastgeber*innen, meist nur "Hosts" genannt, zueinander. Wie viel jeder über sein Leben preisgibt, ist hier jedem selbst überlassen. Aber ist es nicht viel schöner bei jemandem zu nächtigen, der gemeinsame Hobbys, einen ähnlichen Musikgeschmack oder dieselbe/eine komplett andere Lebensphilosophie besitzt? Oder bei einem Host, der selbst schon durch die Welt gereist ist? Bei den 10 Millionen Nutzer*innen weltweit, viele davon aus Großstadtmetropolen, finden sich jedenfalls immer neue Anknüpfungpunkte und Gesprächsthemen, die über den kulturellen Austauch hinausgehen. Anders als bei AirBnb fließt zwischen Gastgeber*in und Reisendem außerdem kein Geld. Im Vordergrund stehen Gastfreundschaft, neue Perspektiven und Erlebnisse abseits von den bekannten Hotspots.
Lokale Perspektiven einnehmen
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Tugay empfiehlt uns einen Spaziergang auf der anderen Seite des Kanalarmes, der das dicht besiedelte Zentrum vom restlichen Teil der Stadt trennt. Die große Karte, die auf dem Küchentisch ausgebreitet liegt, zeigt den weniger urbanen Bereich im untersten Planquadrat. Offensichtlich unbedeutend für Besucher*innen der dänischen Hauptstadt, fast schon kleinstädtisch.
Insidertipps wie diese bekommt man am leichtesten von Einheimischen - googeln kann jede*r. Dieser lokale Austausch ist eine der vielen Vorteile der Plattform. Viele Gastgeber*innen sind in ihrem Wohnort aufgewachsen, studieren oder arbeiten dort. Sie grüßen den*die Bäcker*in, verirren sich nicht im U-Bahn-Labyrinth oder in den verwinkelten Gassen der Altstadt. Ihre Perspektive ist Heimat, nicht Tourismus. Und diese Perspektive teilen sie mit Couchsurfer*innen aus aller Welt.
Lisa und ich entscheiden uns am letzten Tag für den Spaziergang durch Christianshavn. Bevor wir nach Malmö aufbrechen, schlendern wir am Ufer des Kanals entlang. Mitten durchs Grün, vorbei an Familien mit Kinderwagen, badenden Jugendlichen und Paddelbooten. Tugays Tipp, den wir so in keinem Reiseführer gefunden hätten.
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